Leseprobe aus dem Roman:  "Julia und ihr Romeo":

 

Julia zog sich schnell an und eine halbe Stunde später standen sie vor dem Tresen im Polizeirevier, wo sie ihr Anliegen vortrugen.          
„Wir sind hier im Rheinland meine Damen und nicht in Preußen“, wollte der Beamte die Frauen schon abwimmeln, als Julia ihn mit ganz traurigem Blick ansah.             
„Warum müssen sie das denn unbedingt jetzt in aller Herrgottsfrühe wissen. Montag öffnet die Stadtbücherei wieder. Es ist wohl der richtige Ort, um das in Erfahrung zu bringen.      
„Wissen sie denn nicht, was heute Nacht da in Berlin passiert ist?“, wollte Hilde wissen.
„Was interessiert mich Berlin? Ich sagte doch schon, dass…“
„…Das wir hier im Rheinland sind“, vollendete Julia etwas aufgebracht seinen Satz und erklärte dem lustlosen Uniformierten: „Westberlin wird gerade von der Außenwelt abgeschnitten!“      
„So wie 1948? Eine neue Blockade?“ fragte der Mann unsicher und zog die Augenbrauen hoch. 
„Nein!“, gab Hilde Auskunft. „Sie machen die Stadt vollkommen dicht! Soldaten bewachen Arbeiter, die überall Stacheldraht ziehen und an anderen Stellen mauern sie Straßen zu.“       
„Ach was. Das würden die Amerikaner doch überhaupt nicht zulassen. Die sind schließlich, wie die Engländer und Franzosen für die Sicherheit in ganz Deutschlands verantwortlich. Und Berlin gehört ja schließlich auch dazu!“ 
„Können sie vielleicht mal irgendwo anrufen, wo sie das bestätigt bekommen, was meine Freundin ihnen geschildert hat“, bat Julia den Polizisten.     
„Na gut, weil sie es sind! Ich frage mal auf der Dienststelle in Bonn nach. Die sitzen schließlich an den Schaltstellen der Macht und müssten über alles Bescheid wissen.“             
Er hob den Hörer von der Gabel und wählte eine Nummer.                        
Nach einer Weile sagte er unüberhörbar laut: „Polizeimeister Krüger aus Troisdorf. Hier sind zwei Frauen bei mir, die behaupten, dass in Berlin einiges im Busch wäre. Wisst ihr was davon?“

Der Beamte stand auf, knöpfte sich seine Uniformjacke zu und nickte mehrmals mit dem Kopf. „Und das verhindern die Amis nicht?“, fragte er nach.              
„Wieder ein Kopfnicken, dann sagte der Polizist bevor er auflegte: „Ein Glück, dass wir hier weit vom Schuss sind.         

„Sie hatten recht. Entschuldigen sie, dass ich ihnen anfangs nicht geglaubt habe“, sagte er zu den Frauen. „Aber das klang ja auch irgendwie wirklich nach einer Räuberpistole. In Bonn ist jetzt einiges los und die Kollegen haben alle Hände voll zu tun. Sie haben sogar einen Krisenstab im Kanzleramt eingerichtet.“                            
Er knöpfte sich die Jacke wieder auf, schüttelte den Kopf und sagte mehr zu sich selbst: „Hoffentlich geht das mal gut aus!“    
Dann setze er sich wieder an den Schreibtisch und sah Hilde und Julia fragend an. „Was gibt es denn noch? Ich habe es ihnen doch bestätigt.“    
„Wir wollten wissen, wo Köpenick liegt. Das soll ein Stadtteil von Berlin sein!“  
„Sie sagen doch selbst, das Köpenick in Berlin liegt. Was soll denn die Frage?“   
„Liegt aber Köpenick in Ost- oder Westberlin?“ versuchte es Julia erneut.             
„Ach Gott, dass hätte ich ja auch gleich fragen können. Einen Moment, ich rufe noch mal an.“    

Erneut stand er auf, knöpfte sich die Jacke zu, nahm den Hörer von der Gabel und drehte die Wählscheibe.         
„Ja Kollege, hier nochmals Krüger. Wir haben…“            

Einen Moment lang schwieg er und nickte wiederholt mit dem Kopf. Dann gab er die Frage der Frauen an den Mann am anderen Ende der Leitung weiter.     
Erneutes Schweigen.      
Als er die Sprechmuschel mit der Hand verdeckte, flüsterte er den Freundinnen zu: „Er erkundigt sich!“              

„Es dauerte mindestens fünf Minuten, bis sich wohl wieder jemand meldete. Entschuldigend zuckte der Polizist mit den Achseln und lächelte Hilde und Julia an.     
„Und du bist sicher Kollege?“, fragte er nach.     ‚
„Ist ja schon gut! … Nein, da kommen keine weiteren Fragen. … Nein, ich störe euch auch nicht noch einmal. Schönen Sonntag noch!“, sagte er abschließend und legte den Hörer zurück auf die Gabel.             
„Köpenick ist ein Stadtbezirk im Südosten von Berlin. In der Hauptstadt der sogenannten DDR“, teilte er den Frauen mit. „Mehr kann ich auch nicht sagen. Aber vielleicht hilft ihnen das ja schon weiter.“    
Die Frauen verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg zu Julias Haus.