R E G I N A

 

Ein Hörspiel

 P E R S O N E N :

                                                            Sie

                                                            Er

 

 

Sie:      Mach ruhig das Licht an.

Er:        Du bist noch nicht im Bett?

Sie:      Ich hab` gewartet.

Er:        Es muss gegen drei sein.

Sie:      Ich hab` Übung.

Er:        Die Kinder?

Sie:      Hab ich dich richtig verstanden? Fragtest Du nach den Kindern?

Er:        Hör schon auf ... Schau Dir an, wie`s draußen regnet ...

            Ohne Mantel ich wär` bis auf die Haut nass geworden ...

            Hat Ostwald Ärger gemacht?

Sie:      Die Gläser stehen immer noch da.

Er:        Was?

Sie:      Ich sagte: Die Gläser sind auf der Anrichte, Du willst doch sicher noch etwas trinken.

Er:        Ich hab dich nach Oswald gefragt.

Sie:      Dein Onkel schläft hoffentlich. Er wollte nicht mit uns essen ... er hat sich eingeschlossen.

Er:            Warum?

Sie:            Warum? Er hat sein Zimmer auf den Kopf gestellt ...

Danach erklärte er mir, dass er mit uns nichts mehr zu tun haben will ... Mehr weiß ich nicht.

Er:        Wir müssen nachsichtig mit ihm sein.

Sie:      Willst Du nichts trinken?

Er:        Was ist los, Doris? Was ist los mit Dir, hm?

Sie:      Ich stell mir vor, dass es zu so einer nächtlichen Heimkehr gehört ... Der ermüdete Sieger kommt nach Hause ... Bei             einem letzten Schluck bilanziert er den Tag ... Du kannst             drei Tage bilanzieren.

Er:        Du fragst mich nicht, wie alles gegangen ist.

Sie:      Ich kenne Deine Antworten.

Er:        Und warum wartest Du auf mich? Warum hockst Du im Dunkeln und wartest auf mich?

Sie:             Vielleicht - ich wollte sehen, wie viel noch übrig geblieben ist ... von dem Mann, den ich einmal kannte ... von seinem Gesicht.

Er:        Werd nicht feinsinnig.

Sie:      Nimm die Zeitung ... Leg dir die Zeitung unter, wenn Du Dich setzt ... Es tropft aus Dir.

Er:        Doris -

Sie:      Ich weiß, was Du sagen willst.

Er:        Doris, ich muss Dir etwas erklären.

Sie:      Du kannst Dir`s sparen.

Er:        Du hast keine Ahnung, was passiert ist.

Sie:      Die Frühjahrsstürme, vermute ich ... Einmal waren die             Herbststürme schuld, jetzt werden es die Frühjahrsstürme sein ...Oder vielleicht ist es der Mahlsand ... Irgend etwas hat Dir mal wieder einen Strick durch die Rechnung gemacht.

Er:        Hör auf, so zu reden ... Was hast Du, verdammt nochmal?

Sie:      Ich sieh Dich an.

Er:        Du scheinst nicht zu begreifen...

Sie:      Doch, oh doch ...

Er:        Nein ... Nichts.

Sie:      Warum, glaubst Du, hab ich auf Dich gewartet? Warum, hm?

Er:        Ich muss etwas trinken.

Sie:      Siehst Du -

Er:        Was soll denn das?

 

Sie:      Jetzt entsprichst Du dem Bild ... „Der Fuchs der Küste“ kommt nachts nach Hause und gießt sich einen ein ... Auf die Beute ... Auf alles, was gerade hinter ihm liegt. .

            Sie nennen sie Dich doch „Fuchs der Küste“ ... Weil - weil sie Dir eben alles zutrauen.

Er:        Warum hast Du auf mich gewartet?

Sie:      Sag, dass es nicht stimmt, Harry ...

Er:        Was?

Sie:      Die Sparbücher der Kinder ... Beide Sparbücher, die sie zur Taufe bekommen haben ... Sag, dass Du es nicht abgehoben hast, das Geld ...

Er:        Doris -

Sie:      Keine Erklärungen ... oh Gott ... Komm mir jetzt bloß nicht mit Erklärungen ... Du hast es also abgehoben ... Du hast             es den Kindern fortgenommen ... Hast Du vergessen, was wir uns versprochen haben, damals, vor sieben, vor neun Jahren? -... Ihre Taufgeschenke ...

Er:        Nun hör mir mal zu: Keiner hat den Kindern was             fortgenommen..            Geliehen, kapierst Du? Ich hab mir das Geld             meiner Kinder geliehen ... Der zweite Schlepper ... Ich brauchte einen zweiten Schlepper, Doris, um das abgesprengte Vorschiff aus der Rinne zu ziehen ... Wir hatten eine Rinne ausgekolkt ...Der zweite Schlepper - sie wollten das Geld im voraus ...Die Kinder werden es             zurückbekommen.

Sie:      Meine Schläfen ... Ich halt es nicht mehr aus.

Er:        Soll ich Tabletten holen?

Sie:      Nie ... das hätte ich Dir nie zugetraut.

Er:        Nun mal halblang ... Ich hab doch wohl das Recht, mir bei meinen Kindern Geld zu borgen.             Oder? ... In einem Augenblick, wo alles auf dem Spiel stand.

Sie:      Das ist widerlich, Harry ... Das ist so widerlich.

Er:        Sag das nicht noch einmal.

Sie:      Ich werde dir noch etwas ganz anderes sagen.

Er:        Was willst Du eigentlich? Du weißt doch, wozu ich das Geld brauche ... Woran ich seit einem Jahr arbeite ... Das weißt du doch ... Herrgottnochmal, ich hatte so viel in die

verdammte „Regina“ investiert. Ich konnte doch nicht alles aufgeben ... Hast Du mir nicht selbst zugeraten, das Wrack zu kaufen ..  Denk mal dran ... Als der Mann aus London             hier war, als er mir das Angebot für die „Regina“ machte. 

Sie:      Kein anderes Bergungsunternehmen war interessiert.

Er:        Weil die keine Einfälle haben.

Sie:      Der „Fuchs der Küste“ wollte es ihnen zeigen ...

Er:        Ich muss Dir etwas sagen, Doris.

Sie:      Wie Du die Kredite zurückzahlen willst? ... Und alles, was Mutter uns geborgt hat? Und die beliehene Lebensversicherung?

Er:        Du hast die Fotos gesehen ... Von der „Regina“, meine ich.

            Da auf dem großen Sand ... Ich hab Dir vorgerechnet ...

            Vielleicht hast Du nicht zugehört ... Das Schiff tat             Dir leid ... das schöne Schiff, das auf den Grossen Sand             geraten war ... Die Vierzigtausend, die ich den Londonern bezahlt hab, waren nicht zuviel.

Sie:      Mir wird übel ... Ich spüre, dass mir ganz übel wird.

Er:        Trink etwas. Soll ich Dir ein Glas holen?

Sie:      Mutter hat mich gewarnt.

Er:        Wieder mal?

Sie:      Immer.

Er:        Früher hat Dich auch Dein Vater gewarnt ... Beide haben sie Dich gewarnt ... zweistimmig.

Sie:      Sie hatten recht.

 

 

Er:            Tatsächlich? Soll ich Dir wiederholen, was Dein Vater mir sagte ... damals, als wir eine gute Zeit hatten?

            Als wir dies Haus einweihten? ... Sei doch vernünftig,

            Doris ... Wir hatten sehr gute Jahre, das weißt Du ...

Als wir den Hafen von Riga geräumt haben ... Die alten Linienschiffe im Skagerak, denk mal dran ... Oder das verunglückte U-Boot auf der Doggerbank ... Keiner traute sich ran. Ich hab das Boot gehoben ... Dein Vater hatte den Zeitungsbericht in der Hand ... Dort am Fenster standen wir ...

Ganze Arbeit, sagte er, das war ganze Arbeit,  mein Junge ... Das sagte der Mann, dem ein Lob nur alle Schaltjahre über die Lippen kam.

Sie:      Onkel Oswald vermisst seine Pfandbriefe.

Er:        Was willst Du damit sagen?

Sie:      Seine Pfandbriefe sind verschwunden.

Er:        Sie verschwinden jede Woche einmal ... Die Pfandbriefe, die Sparbücher, die Brieftasche ... sie spielen Versteck mit ihm, zum Wochenende sind sie wieder da.

Sie:      Du hast Dir auch von ihm Geld geliehen.

Er:        Hab ich`s Dir nicht gesagt? ... Du weißt, wie unser erster Schleppversuch ausging ... Ich musste neue Trossen kaufen. Schau, Doris, als ich das Wrack der „Regina“ erwarb, da wussten wir`s noch nicht ... Wir glaubten, dass sie nur im Mahlsand festsaß ... Mit ihren sechstausend             Tonnen im Mahlsand ... Hans und ich, wir sind beide unter Wasser gewesen. Wir haben alles untersucht ... Das hat keiner von uns entdeckt: die „Regina“ saß nicht nur im Sand fest, sie hatte sich auch noch auf ein altes Wrack gesetzt, das seit neunzig Jahren dort liegt, die „Emmy Fassdorff“ ... Deshalb hatten wir keinen Erfolg bei unserem ersten Schleppversuch ... Die Trosse brach.

Sie:      Harry, ich weiß alles ... Ich hab doch alles miterlebt ...

            Begreifst Du denn nicht, worum es mir geht? Heute!

Er:        Du bist müde, müde und überspannt.

Sie:      Mein Gott, nicht einmal das merkst Du.

Er:        Was? Was meinst Du?

Sie:      Dass ich nicht geweint habe ... Ich war so entsetzt, dass ich nicht einmal weinen konnte ... Weißt Du nicht mehr, was wir uns versprochen hatten?

Er:        Nimm die Luft raus, Doris.

Sie:      - bei der Taufe der Kinder ...

Er:        Sie werden zurückbekommen, was ihnen gehört...

            Verdammt noch mal, ich werde ihnen sogar etwas dazulegen...

            Zufrieden?

Sie:      Auf einmal ist es weg, Harry ... Die Sicherheit, dies Gefühl unbedingter Sicherheit ... Es war das Schönste für mich, das Wichtigste ... Sie konnten sagen über Dich, was sie wollten ... Mich konnten sie nicht erschüttern ...

Das war meine Festung: Ich war Deiner ganz sicher. Ich konnte es mir leisten, zu schweigen, wenn sie es auf Dich abgesehen hatten ... auf den „Fuchs der Küste“.

Er:        Sag bloß, ich hab nicht für Euch getan, was ich tun konnte.

Sie:      Das ist nicht wahr.

Er:        Und mit wem habe ich alle Unternehmungen besprochen?

            Mit wem, hm?

Sie:      Seit drei Tagen ist es nicht wahr.

Er:        Ich versteh Dich nicht ... Wirklich, Doris, ich komm einfach nicht mehr mit.

 

 

 

Sie:      Wenn Dein Bild in der Zeitung war ... Immer, wenn Dein Bild in der Zeitung war nach einer gelungenen Bergung ...

Mutter las kaum den Text ... Sie studierte immer nur Dein Photo ... Und immer sagte sie: Hoffentlich musst Du es nicht erleben: Harry hält sich an keine Regel. Wenn etwas auf dem Spiel für ihn steht, setzt er sich über alles hinweg ... Ich wollte es ihr nicht glauben.

Er:        Jetzt weißt Du also Bescheid.

Sie:      Für Dich. Im Grunde hast Du alles für Dich getan.

Er:        Träumst Du? Sag mal, träumst Du? Hast Du vergessen, dass hier am Tisch der Ägypter saß ... der ägyptische Reeder.

Wer hat den Vorschlag gemacht, ihn zum Abendessen einzuladen? ... Na, dämmert es bei Dir? ... Weißt Du nicht mehr, wie Du mich unter dem Tisch berührt hast, als er uns

            sechshunderttausend bot für das Vorschiff der „Regina“?

            Du hast ihm die Bilder der „Regina“ gezeigt ... Er wollte             das            Vorschiff als Ponton verwenden ... Aber das ist ja gleichgültig ... wir waren gerade Eigentümer des Wracks, da kam dies Angebot ... dies einmalige Angebot ... Unsere Feier hinterher, als wir allein waren. Hast Du unsere Feier vergessen? Soll ich wiederholen, was Du mir gesagt hast?

            Wer hat nicht schlafen können vor Freude, vor Erregung, wer?

... Und Du sagst, ich hätte alles nur für mich getan ...

Glaub mir, Doris seit dem Tod meines Bruders, seit ich sein Bergungsgeschäft übernommen habe, hat es für mich keinen Tag gegeben wie diesen: auf einmal spürte ich, was Zufriedenheit ist ... Und um sie zu erhalten, nahm ich mir             vor, an der „Regina“ ganze Arbeit zu leisten, wie`s Dein             Vater nannte.

            Ganze Arbeit.

Sie:      Darum geht es doch gar nicht, Harry.

Er:        Worum denn?

Sie:      Um Deine Maßlosigkeit ... Du Kennst keine Grenze mehr ...

Dein Ziel, um Dein Ziel zu erreichen, ist Dir jedes  Mittel recht ... Du kannst nicht aufgeben. Vielleicht ist es Stolz, vielleicht Besessenheit ... Vielleicht so ein Komplex ... Ich weiß nicht ... Ihr müsst einfach bis zum Letzten gehen, ohne Rücksicht.

Er:        Mach Dir doch nichts vor, Doris ... Was Du da redest,

diese Beschuldigungen - auf so was kommt man in der Nähstunde ... In meinem Beruf musst Du durchhalten, das weißt Du ... Aufgeben? ... Du musst doch wohl zugeben,

            dass ich uns nur deshalb so weit gebracht habe, weil ich niemals aufgebe.

Sie:      Hast Du mal zusammengerechnet, wie viel Du schon investiert hast? Seit einem Jahr zahlst Du und zahlst Du ... Noch hat sie sich nicht einen Zentimeter bewegt, Deine „Regina“.

Er:        Doris, ich muss dir etwas sagen, etwas Ernstes.

Sie:      ... Zwölftausend Tonnen Stahl, das ist alles, was Du bisher rausgeholt hast. Dafür hast Du einen Kran verloren ...

            Wenn Du mich fragst: damals hättest Du aufhören sollen.

Er:        Meinst Du?

Sie:      Ja.

Er:        Bisher hast Du`s noch nicht ein einziges Mal gesagt ...

Bisher warst Du doch einverstanden damit, dass ich dran blieb ... Und was den Kran angeht: Wir hatten uns auf den Wetterbericht verlassen ... Keiner hat mit diesem Sturm gerechnet ... Der Kran war zu schwer für unser Bergungsschiff ... Ah, wie Du reden kannst ... Aber Du hättest mal draußen sein sollen damals ... Wie mit Vorschlaghammern, so bekamen wir es ... Der „Regina“ wurde die Brücke zerschlagen.

Sie:      Ich halte es nicht mehr aus ... Meine Schläfen.

 

 

Er:        Hier, Trink aus meinem Glas.

Sie:      Jetzt muss ich eine Tablette nehmen.

Er:            Wasser?

Sie:      Hab ich hier noch steh`n ... Ich komm und komm nicht auf den Namen ...

Er:        Auf welchen Namen?

Sie:      Dieser Kapitän.

Er:            Welchen meinst Du?

Sie:      Der Jäger, der große Waljäger ... Er kennt nur ein Ziel.    Er lebt nur dafür.

Er:        Ein Kapitän?

Sie:      Ein Opfer seiner Besessenheit ... Ahab ... der Kapitän heißt Ahab.

Er:        Nie gehört.

Sie:            Manchmal ... Du hast etwas von ihm ... Ihr riskiert alles - Euch zuliebe ... Nichts kann Euch ur Aufgabe bringen ....Als ob Ihr verfallen seid, ja ... Eurem Ziel verfallen ...

            Ich weiß, ich weiß, Du hast Deine eigene Ansicht ...

Er:        Du machst es Dir leicht,  Doris ... Hoffentlich merkst Du, wie leicht Du es Dir machst.

Sie:            Widerstand, Dich reizt der große Widerstand, hast Du immer gesagt ... Bewährung: ein Lieblingswort von Dir ...

Es tut mir leid, Harry, aber es bedeutet mir nichts, gar nichts ... Wer Bewährung sucht, so wie Du, der handelt egoistisch.

Er:        Du musst schon genauer werden.

Sie:      Ich war dabei, als Du Deine Leute zusammengeholt hast.

Hier, in diesem Raum. Alle fünf waren da, außerdem die drei Männer vom gekenterten Schlepper ... Die drei geretteten Männer ... Es war im Sommer, an der „Regina“ bewegte sich nichts ... Zehn Tage wart Ihr draußen gewesen. Eines Nachts ist der Schlepper gekentert ...

Er:        Es war ein Manövrierfehler.

Sie:      Lass mich ausreden ... Ihr konntet die Männer retten, ja ..

Alle waren hier und hörten Dir zu ... Du hast wohl gespürt, in welcher Stimmung sie waren Du musstest sie bei der Stange halten ... Mut musstest Du ihnen machen ... Aber das war nicht alles ...

Er:        Was noch?

Sie:      Du hast ihnen Deine Rechnung aufgemacht, - so nenne man das wohl ... Du hast sie eingeweiht ... ich sehe sie noch um Dich herumsitzen mit gesenkten Köpfen ... Vielleicht

dachten sie an das, was Du ihnen schuldig warst ... worum sie fürchten mussten auf einmal Und plötzlich der alte Schlepperführer ... Ich höre noch, wie er sagte: aussichtslos Harry, bei der „Regina“ ist alles aussichtslos; dies Schiff bleibt, wo es ist ... überlass sie der See, Harry, das sagte er ... Er riet Dir, aufzugeben ... Und Du, Du wurdest nicht einmal nachdenklich ... Du kamst ihm mit Bewährung ... Das Aussichtslose: eine Gelegenheit zur Bewährung ... So hast Du sie überredet.

Er:            Immerhin, sie blieben bei der Stange.

Sie:      Du hast sie angesteckt.

Er:            Angesteckt?

Sie:      Mit Deiner Besessenheit.

Er:        Davon verstehst Du nichts ... Wirklich, Doris, Du verstehst einfach nicht, was einen Mann bewegt.

Sie:      Mach Dich nicht lächerlich ... Was einen Mann bewegt: wenn ich so was höre, kriege ich die Platze ... Der große Einzelgänger, hm? Der einsame Kämpfer, der Weltveränderer-:

            Komm bloß nicht damit .. Süchtig seid Ihr, süchtig nach Bestätigung ...

 

 

Er:        Denk an Deinen Vater.

Sie:      Wieso? Was hat er damit zu tun?

Er:        Geht Dir nichts auf? Sie nennen ihn „Katastrophen-Brüggemann“.

Sie:      Vater?

Er:        Hast Du Dich nie gefragt, was ihn bewegt, wenn er immer wieder kaputte Firmen kauft? ... Firmen, die abgewirtschaftet haben, die vom Konkurs bedroht sind ...

Wo etwas zusammenbricht, erscheint der „Katastrophen-Brüggemann“, prompt ... Erscheint und übernimmt die Reste zu Ramschpreisen ... Längst könnte er sich zur Ruhe setzen,

            aber etwas bewegt ihn, weiterzumachen. Verstehst Du, was ich meine?

Sie:      Ich merke, merke genau, worauf Du anspielst ... Das ist gemein, Harry.

Er:        Ich habe auf nichts angespielt ... Erinnern, ich wollte Dich nur daran erinnern, dass ein Mann seinen Weg geht ...             gehen muss.

Sie:      Das erste Darlehen hast Du von ihm bekommen.

Er:        Unser Bergungsschiff trägt seinen Namen: „Walter Brüggmann“

            Ich hab ihm ein Denkmal gesetzt ... Und das Geld - er wird es zurückerhalten.

Sie:      Er war entsetzt.

Er:        Wer?

Sie:      Als Du dies Haus gekauft hast ... Ich hab` es ihm erzählt.

Er:        Was?

Sie:      Wie Du die Erbengemeinschaft ... wie du die beiden Schwestern gegeneinander ausgespielt hast ... ich hab` es Vater erzählt. Er war entsetzt.

Er:            Tatsächlich? Hätt` ich ihm nicht zugetraut, dem alten Spezialisten. Er war also entsetzt ... Na, dafür wirkt er ja zum Wohle des Volkes.

Sie:      Das ist niederträchtig.

Er:        Es ist nur wahr ... Wo etwas leck schlägt, da erscheint der Retter ... Kauft zum Ramschpreis.  Lässt sich Staatsbürgschaften auszahlen, um bedrohte Arbeitsplätze zu sichern. und saniert und saniert, bis Ruhe einkehrt, Friedhofsruhe.

            Von ihm können wir lernen, wie viel Havarien wert sind ...

            Mach Dir nichts vor.

Sie:      Ich mach mir nichts vor ... Ich weiß nur: er hätte das nie getan.

Er:        Doris, versuch mal`, ganz ruhig zu sein ... Trinke etwas und hör` mir zu ...

Sie:      Den Kindern wegzunehmen ...

Er:            Herrgott, nun halt doch mal die Luft an ...Entschuldige ...

            Du weißt nicht, wofür ich mir das Geld der Kinder geliehen habe.

Sie:      Das interessiert mich nicht.

Er:        Wie soll es auch ... Dich interessiert nur, was Dich betrifft.

Sie:      Es gibt Dinge, die sind unantastbar.

Er:        Doris, wir hatten einen Unfall, draußen auf dem Grossen Sand ... Ich hab`s Dir nicht

erzählt ... einen schweren Unfall ... Es lag an dieser Schlagseite ... Du hast es selbst gesehen, auf den Photos: die „Regina“ hatte mehr als fünfzig Prozent Schlagseite ... Da zu arbeiten für

die Männer war es ein einziger Balance-Akt  ... Ich weiß nicht, Alfred hat nicht aufgepasst... Vielleicht war er auch zu erschöpft ... er rutschte über die ganze Bordwand

ab, dort, wo das Bergungsschiff vertäut war ... Die Dünung, als die Dünung das Bergungsschiff hoch trug ... Alfred wurde eingeklemmt, zwischen den Bordwänden.

Sie:      Alfred?

Er:        Ja.

Sie:      Ist er tot?

Er:        Er wird wohl ein Bein verlieren.

Sie:      Oh mein Gott ... Er hat doch gerade geheiratet.

 

Er:        Er ist nicht versichert... Die beiden haben keine Versicherung abgeschlossen ... Sie hängen einfach in der Luft.

Sie:      Warum hast Du mir nichts gesagt?

Er:        Wann denn? Ich hatte keine Zeit .. Alfreds Frau: ich brachte ihr das Geld, für`s erste ... Dann bin ich rausgefahren. Sie warteten draußen auf mich. Wir wollten das

Vorschiff der "Regina" absprengen. Es war meine Sache, die Sprengladungen anzubringen unter Wasser ... Du weißt, das war immer meine Sache.

Sie:      Aber Du bist doch bei Alfred gewesen?

Er:        Morgen ... morgen werde ich zu ihm gehen ... Der ägyptische Reeder drängte ... Nach all der Zeit, was sollte ich tun nach all der Zeit? Wir mussten mit der „Regina“ fertig werden.

Sie:      Ist das wahr, Harry? Ist das wirklich wahr?

Er:        Wir hingen doch alle von ihm ab, von dem Wrack ... Zuletzt ...

Sie:      Ich schaff es nicht, Harry. So kann es nicht bleiben.

Er:        Es ist nicht immer so.

Sie:      So kann es nicht weitergehen ... Du spielst Dein Spiel, und wir - wir alle tragen Dein Risiko Sieh mal -.

Er:        Was?

Sie:      Meine Hand, wie sie zittert .. Seit Wochen dieses Zittern.

Warum hast Du nicht aufgegeben? ... Wann, wann wirst Du einsehen, dass Du Dich übernommen hast... immer übernimmst!

Er:        Immer? Denk an den Fischkutter ... Wer hat geklatscht vor Begeisterung? ... Du warst doch dabei, als ich ihn gehoben hab ... Als er gehorsam aufschwamm mit all der Luft in den

abgedichteten Hohlräumen ... Es war meine Idee ... Wer hat da geklatscht vor Begeisterung? Siehst Du! ... Und für die „Regina“ ... Ich wusste von Anfang an, dass ich das ganze Schiff vom Mahlsand wegbekomme ... Für die „Regina“ hatte ich auch meinen Plan; für ihr Vorschiff.

Sie:      Harry, begreif doch. Es geht um etwas anderes ... Ich halte das nicht mehr durch.

Er:        Aber zuerst ... als wir anfingen, da ging es doch.

Sie:      Der Einsatz - er war nicht so hoch. Du hast den Einsatz ständig erhöht, immer mehr. Ich kann ihn nicht mehr mittragen.

Er:        Und? Was heißt das?

Sie:      Wenn es so weitergeht ... Wir werden uns trennen müssen, wenn es so weiter geht.

Er:        Kommt man darauf, wenn man allein sitzt im Dunkeln?

Sie:      Ich mein es ernst.

Er:        Ach, Doris.

Sie:      Etwas muss sich ändern, Harry.

Er:        Halt mal das Glas. Ich muss den Kragen aufmachen.

Sie:      Ist Dir nicht gut?

Er:        Heiß, mir ist nur heiß.

Sie:      Wir müssen uns entscheiden, Harry ...

Er:        Wie sich das anhört. Wir müssen uns entscheiden ... Als ob wir die Wahl hätten ... eine beliebige Wahl.

Sie:      Du willst doch auch nicht, dass wir nebeneinander herleben.

Er:        Doris, es gibt keine „Regina“ mehr.

Sie:      Was? Was hast Du gesagt?

Er:        Erledigt ... Das Kapitel „Regina“ ist abgehakt, endgültig... buchstäblich.

Sie:      Was soll das heißen?

Er:        Das Wrack - es existiert nicht mehr .. Verloren, unerreichbar, weg.

Sie:      Du willst mir einen Schreck einjagen.

 

Er:        Ich will Dir keinen Schreck einjagen.

Sie:      Das stimmt nicht, Harry ... Das kann nicht stimmen.

Er:            Verloren und versunken mit allem ... Es ist wahr.

Sie:      Aber - aber Du warst doch ... Als Du gingst, warst Du doch so zuversichtlich ... Alles stand gut ... Ich hab noch mit Ewald gesprochen ... Morgen bewegt sie sich, sagte er.

Er:        Sie hat sich bewegt, die „Regina“ hat sich auch bewegt.

Sie:      Was ist denn passiert? Red doch schon, um Himmels willen.

Er:        Ein Jahr, Doris, und dann hatte ich sie so weit .. Keiner hat mir`s geglaubt ... Das Angebot, das der Ägypter mir gemacht hat - er hat`s auch anderen gemacht, vorher ...

            Alle haben abgewinkt ... Mit der „Regina“ wollte sich keiner einlassen ... Ich hab`s mir zugetraut.

Sie:      Ich glaub es einfach nicht.

Er:        Das Vorschiff - wir haben es abgesprengt nach Plan ... Wir haben es abgedichtet und vollgepumpt mit Luft ... Zum zweiten Mal haben wir eine Fahrrinne ausgekolkt ... Das werde             ich nicht vergessen, Doris ... als die Schlepper endlich             anzogen.

Alle sahen nur zu ihr hin ... die Trossen strafften sich, immer mehr Zug, und dann rührte sich die „Regina“, glitt langsam aus dem Mahlsand ... Wie sie aufschwamm und             torkelte, als ob sie noch benommen wäre vom langen Liegen. 

Geklatscht, die Männer haben geklatscht und kamen zu mir gerannt ... Nie werd` ich das vergessen.

Sie:      Also doch, Harry ... Dann ist es doch gutgegangen.

Er:        Wir nahmen sie in Schlepp, behutsam ... über Grund machten wir nicht mehr als zweieinhalb Meilen ... bestimmt nicht mehr.

Sie:      Es war ruhiges Wetter, das weiß ich.

Er:        Die See war kaum bewegt ... Ich hatte mir vorgenommen, Dich anzurufen aus dem Hafen, gleich ... ich bin fertig, Doris.

Sie:      Aber was ist denn geschehen?

Er:        Damit hat keiner gerechnet ... Es trübte sich ein ...

            Allmählich trübte es sich ein, und wir kamen in Nebel ... flache Bänke ...

Sie:      Ist sie gesunken ... Sag doch.

Er:        Sie schwamm besser, als wir gedacht hatten ... Zwanzig Meilen ... Nur knapp zwanzig Meilen vom Feuerschiff ...

            Auf dem Tanker haben sie unser Nebelhorn nicht gehört ...

Sie:            Gerammt?

Er:            Zweihunderttausend Tonnen ... Er hat das Vorschiff der „Regina“ unter Wasser gedrückt ... Gerammt und unter Wasser gedrückt ... auf dem Schlepper konnten sie gerade noch die

            Leinen slippen.

Sie:      Harry ... Harry, ich kann es nicht fassen.

Er:        Es ist so.

Sie:      Weißt Du, was es heißt für uns?

Er:        Ich weiß es.

Sie:      Warum hast Du es nicht gleich gesagt, als Du hereinkamst?

            Wie konntest Du das für Dich behalten? ... Gib mir was zu trinken.

Er:        Ich hab`s versucht; ich wollt es Dir ja gleich sagen ...

            Aber Du hattest Deine Anklage vorbereitet ...

Sie:      Du wirst sie heben ... Du wirst die „Regina“ bestimmt heben ... Oh, Harry.

Er:        Keiner wird sie heben. Sie liegt auf vierzig Meter Tiefe; Das Vorschiff, meine ich ... Da geht keiner mehr ran ...Du hättest die Leute hören müssen, unsere Leute, Doris ...

            Das war ein einziger Schrei ... wir stoppten sofort ... Es war kaum was zu sehen ...

 

Sie:      ... danke ... Trinkst Du nichts mehr?

Er:        Dies Brausen, als die „Regina“ auf Tiefe ging.

Sie:      Es ist furchtbar, Harry ... und jetzt?

Er:        Sie liegt genau auf achtundvierzig Meter Tiefe.

Sie:      Alles umsonst. Es kann doch nicht sein, dass alles umsonst war ... Immer ... Du hast doch immer Rat gewusst.

Er:        Vorbei, Doris.

Sie:      Aber wir können es doch nicht verloren geben ... Dir wird etwas einfallen ... Du hast nie etwas verloren gegeben.

Er:        Diesmal gibt`s keine Chance.

Sie:      Harry, denk daran, was wir rein gesteckt haben ... wie viel für uns abhängt ... Die „Regina“ gehört Dir.

Er:        Es hilft nichts mehr, kein Plan, keine Ausdauer.

Sie:      Was soll denn werden?

Er:        Ich weiß nicht ... Ich bin fertig, Doris.

Sie:      Setz Dich zu mir ... Komm ... Setz Dich hierher.

Er:        Du weißt nicht, wie hoch ich eingestiegen bin.

Sie:      Wir schaffen es schon, Harry ... Du wirst sehen, wir schaffen es.

Er:        Ich komm da nie wieder raus.

Sie:      Zuerst ... Du musst Dich jetzt ausruhen.

Er:        Ich hätt` es Dir erzählen sollen.

Sie:      Was?

Er:        Vor drei Tagen, als wir rausgingen ... Ich hätte Dir erzählen sollen, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen waren ... Dass wir die „Regina“ so weit hatten ... Ich wusste, dass ich sie vom Mahlsand runter bekommen würde ...

            Ah, Doris ich wollte mit der guten Nachricht nach Hause kommen.

Sie:      Ich glaube, Du solltest Dich jetzt hinlegen, Harry ...

            Ich mach das hier in Ordnung.

Er:        Ich hatte mir schon alles zurechtgelegt ... Begreifst Du das? Um ein Haar, und es wär` uns gelungen.

Sie:      Es ist Dir gelungen .. Das, worauf es ankam, ist Dir gelungen.

Er:        Was soll jetzt werden?

Sie:      Komm, Harry ... ich sag`s Dir morgen .. Bitte komm.

 

 N SZENE!